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Interview: Einflüsse, Streaming & minimalistisches Leben

Mein Wander-Kollege und Autor des Wanderführers mit dem ich im Sommer über die Alpen gelaufen bin, Christof Herrmann, hat mich auf seinem Blog einfachbewusst.de interviewt. Das Interview inkl. Videos und Fotos kannst du auch hier auf Christofs Blog lesen.




Ich habe nur wenige Freunde, mit denen ich so viele gemeinsame Interessen teile und so auf einer Wellenlänge bin wie mit Tobias. Tobias Panwitz wandert für sein Leben gern, hat im letzten Sommer die Alpenüberquerung Salzburg – Triest absolviert, betätigt sich hin und wieder als Autor, hat sich als Singer-Songwriter Trailhead einen vorzüglichen Ruf erspielt und stellt immer öfter fest, mit wie wenig er doch zufrieden ist. Da das fast alles Themen sind, über die ich regelmäßig blogge, lag es nahe, Tobias ein paar Fragen zu stellen.


Christof Herrmann: Du hast Anglistik in Berlin und Naturschutz in Eberswalde studiert. Wie kam es, dass Du vor 15 Jahren eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen hast, als Trailhead rund 50 Konzerte pro Jahr spielst und vier Alben veröffentlicht hast?


Tobias Panwitz: Na ja, soweit habe ich mich scheinbar nicht von meinen Studienfächern fortbewegt. Ich schreibe zum Großteil Songs über das Unterwegssein in der Natur, und das auf Englisch. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass eine akademische Laufbahn nichts für mich ist und daraufhin habe ich vieles ausprobiert. Beispielsweise habe ich in Nordkalifornien als Teil der Trailcrew Redwood Nationalpark Wege angelegt und mich in Griechenland mit der alternativen Anbaumethode „Natural Farming“ beschäftigt. Die Gitarre war immer dabei. Und schließlich war mir Musik zu wichtig, um sie als Hobby nebenbei laufen zu lassen. Deshalb wurde sie zum Mittelpunkt meines Lebens. Mittlerweile spiele ich Konzerte in ganz Deutschland und treibe mich dazwischen oft in der Natur herum, was mir wiederum viele Ideen für Songs gibt. Keine schlechte Balance, oder?


Wie beschreibst Du jemanden Deine Musik, der noch keinen Deiner Songs kennt?


Ich nenne meine Lieder gern roadside folk songs mit Singer-Songwriter-Melodien. Die erzählen – wie das bei uns Singer-Songwriter(innen) üblich – von allem möglichen, bei mir meist von meinen Wanderungen, Reisen und der Rastlosigkeit, die mich immer wieder hinaustreibt.


Nenne doch mal eine Referenz, also paar Interpreten, die die Dich beeinflusst haben.


Auf die eine oder andere Art und Weise steckt sicher viel von Neil Young, den Beatles, Tom Petty und den Jayhawks in meinen Songs. Das sind die Sachen, mit denen ich musikalisch groß geworden bin. Andere Einflüsse sind nicht so offensichtlich, aber trotzdem vorhanden, etwa Pink Floyd, Peter Gabriel, Billy Joel, Dire Straits und Grateful Dead.


Du hast viele Stücke im Repertoire, die vom Unterwegssein handeln. Dein aktuelles Album „Keep Walking“ enthält ausschließlich walking songs. Wie kam es dazu?


Ich glaube, viele Songwriter haben einen Ort, eine Beschäftigung oder einen Zustand, in dem sie leichteren Zugang zum kreativen Unterbewusstsein haben. Bei mir ist das das Gehen. Das kann ein Fernwanderung sein oder der Gang zum Bäcker. Dadurch sind viele meiner Songs beim Gehen und Wandern entstanden. Besonders als ich lange in Spanien unterwegs war. Da lag es nahe, all die Songs quasi auf einem Konzeptalbum – da ist der Pink-Floyd-Einfluss – zu vereinen.


„When you life don’t make no sense just / take a walk, take a walk / when your demons take there chances / take a walk, go take a walk / over the hill or just through the park / meet some people in town, down at the bar“, singst Du in „Take a walk“. Es ginge uns besser, wenn wir mehr gingen. Du sprichst mir damit aus der Seele. Deswegen fühle ich mich geehrt, dass Du ein paar der Fotos meines Jakobsweges für das Video zu „Take a walk“ verwendet hast. Wie ist der Song denn entstanden?


Ich war auf der Via de la Plata, einem sechswöchigen Jakobsweg in Spanien, unterwegs. Leider war das Wetter alles andere als spanisch. Es regnete fast jeden Tag. Und das sechs Wochen lang! Ideen für Songs kamen aber trotzdem, aus Frust und Trotz heraus, z. B. der Durchhaltesong „Keep walking“, aber eben auch „Take a walk“.


Als ehemaliger Plattensammler und Plattenverkäufer habe ich mich sehr gefreut, dass es „Keep Walking“ nicht nur als CD, Download und Stream gibt, sondern seit Kurzem auch als edle Vinyl-Edition.


Ja, darüber bin ich sehr froh. Es ist eine tolle Ausgabe geworden, mit schöner rauer Haptik, den Songtexten auf der Innenhülle und einem zusätzlichen Downloadcode. Viele Leute meinten auch, sie würden das Cover einfach gern in Schallplattengröße haben. Hattest du mir nicht versprochen, dir wieder einen Plattenspieler zuzulegen, wenn ich „Keep Walking“ auf Vinyl herausbringe?


Aus der Nummer komme ich wohl nicht mehr raus. Man kann auch als Minimalist eine kleine Plattensammlung haben – solange man sie wertschätzt und die Musik hört. Ich hatte mal 4000 Tonträger. Aktuell besitze ich keinen einzigen Tonträger mehr. Ich würde mir wohl meine 50 Lieblings-LPs zulegen. Wie groß ist Deine Sammlung?


Nicht umwerfend groß. Anfang der 90er hatte ich mehr, habe diese dann wie viele Leute zum größten Teil entsorgt. Jetzt besitze ich vielleicht zwanzig LPs. Ich entdecke sehr viel Neues auf Spotify und was ich öfter hören möchte, kaufe ich auf Vinyl.


Das Streamen hat auch Vorteile, aber mir fehlt der warme analoge Sound der LPs.


Neil Young wollte das Problem mit dem hochaufgelösten Streamingsound seines Pono-Players beheben. Keine Ahnung was daraus geworden ist. Natürlich ist der Sound beim Streamen nicht optimal. Für mich ist es wie Radio. Da achte ich auch nicht großartig auf den Sound. Was ich gezielt und regelmäßig hören möchte, kaufe ich mir auf Vinyl.


Du warst bisher v.a. in Spanien, in Griechenland und auf dem amerikanischen Kontinent unterwegs. Im letzten Sommer bist Du von Salzburg nach Triest gewandert. Wie war die Alpenüberquerung im Unterschied zu den anderen Touren?


Ich war mehr als je zuvor auf den Augenblick fokussiert. Während meine Gedanken bei anderen Wanderungen recht unkontrolliert umherdriften, war ich in den Alpen immer auf den nächsten Schritt konzentriert, um die vielen An- und Abstiege und die teilweise ausgesetzten Stellen zu schaffen. In meinem neusten Video „White flag“ vom „Keep Walking“-Album sind Videosequenzen zu sehen, die ich auf meiner Alpenüberquerung aufgenommen habe.


Auf dem Album findet sich der schön bluesige Song „Too many people (on the Camino)“. Das Problem hattest Du auf Deinem Weg von Salzburg ans Mittelmeer wahrscheinlich nicht.


Nein, das stimmt, schon allein aus Konditionsgründen gehen ja nicht so viele über die Alpen wie durchs eher flache Spanien. Der Grund für den Song war allerdings nicht in erster Linie die Anzahl der Leute auf dem Camino, sondern die etwas überhebliche Einstellung vieler „Pilger“, die dem ja eigentlich einfachen „Pilgerleben“ ihre Anspruchshaltung überstülpen. Da wird schnell ein Fass aufgemacht, wenn die Dusche mal nicht die richtige Temperatur hat.


Eine Gitarre hattest Du aber in den Alpen nicht dabei?


Nein, bin ja kein Masochist :)


Manche Ukulelen wiegen keine 500 Gramm.


Und gehen leicht kaputt. Ich hatte in den Alpen eh keine Muße zum Musizieren. Da ging es mir ums Laufen. Und wenn mir unterwegs eine Songidee kam, habe ich sie als Sprachmemo auf dem Handy festgehalten. Daraus entwickle ich dann später zu Hause Songs.


Sind also neue walking songs entstanden, oder besser gesagt walking uphill and downhill songs?


Ja, genug für ein neues Album. Ich rede aber nicht über ungelegte Eier. Erstmal ins Studio und sehen, wie sich die Aufnahmen entwickeln.


Eine weitere Leidenschaft von Dir ist das Kajakfahren. Ich habe es einen Tag lang in Neuseeland ausprobiert. Das Naturerlebnis war grandios, mein wunder Hintern auch. Ich konnte eine Woche nicht sitzen. Nun mach mir mal das Kajakfahren schmackhaft.


Da will ich gar nicht so viel Werbung machen, ich mags ja, wenn nichts los ist auf den Gewässern :) Für mich ist Kajakfahren wie wandern, nur eben auf dem Wasser. Das Tempo ist in etwa gleich und du bewegst dich mit den Armen statt mit den Füßen voran. Du kannst überall ans Ufer, aber kaum jemand kann zu dir kommen. Eine schöne Form von Freiheit.


Mit Gitarre, Mikro und paar Songs auf der Bühne. Fernwandern auf Jakobswegen und zwischen Salzburg und Triest. Mit Faltboot und Zelt durch einsame Flussauen. Eine überschaubare Plattensammlung. Du scheinst auch die Einfachheit zu lieben.


Ich brauche tatsächlich nicht viel mehr. Gute Leute in meinem Leben zu haben, mich regelmäßig in die Natur absetzen zu können und Songs für Leute zu spielen, die gern zuhören. Das klingt nicht nach viel, ist für mich aber eine ganze Menge.


Hat Dich da Deine Kindheit geprägt? Du bist in der DDR aufgewachsen, warst 14 als die Mauer fiel. Bei uns im Westen waren die 80er Jahre verglichen mit heute ja schon minimalistisch. Weniger Konsumpf, kein Internet, kein Amazon, kein Smartphone …


Ja, klar war verglichen zu heute alles minimalistischer. Das würde ich in Bezug auf die DDR aber nicht romantisieren. Nicht viel zu haben, war ja keine freie Entscheidung der Leute. Und minimalistisch zu leben, hat erst dann einen Wert, wenn man es freiwillig tut. Mir ist schon lieber, viele Optionen zu haben und mir die wenigen Dinge aussuchen zu können, die mir dann genügen.


Du wanderst und bist viel unterwegs, Du liest und schreibst, sprichst nach den Konzerten mit den Besuchern, hast Naturschutz studiert. Hast Du noch Hoffnung, dass wir die Kurve kriegen. Wie können wir wieder zu mehr Einfachheit zurückkehren und uns selbst, andere und die Natur schützen, ohne dabei die Errungenschaften der digitalen Revolution zu verfluchen?


Ich denke, wir lenken uns oft von einer inneren Unruhe ab. Mit Essen, Reisen, Netflix, Arbeit … Konsum jeglicher Art. Um minimalistischer und nachhaltiger zu leben, sollten wir zuvor dieser Unruhe auf den Grund gehen. Ehrlich zu uns selber sein. Tue ich das, was sich für mich richtig anfühlt? Umgebe ich mich mit den Menschen, die mich dabei unterstützen, mir selbst treu zu sein? Oder ertrage ich mein Leben und meine Mitmenschen nur, indem ich mich mit Fernreisen, Unterhaltungselektronik und Statusobjekten davon ablenke? Konsum füllt immer eine Leere. Wenn wir uns dessen bewusster werden, verkonsumieren wir hoffentlich nicht unsere komplette Existenzgrundlage. Ich bin allerdings kein Freund von Schwarzmalerei, was die Zukunft angeht. Weil es in keiner Weise hilfreich ist. Ich versuche lieber, ein für mich authentisches Leben zu führen, das hoffentlich andere dazu inspiriert, das gleiche zu tun.


Vielen Dank für das Gespräch, Tobias. Magst Du zum Abschluss noch verraten, wie man an Dir dran bleiben und mit Dir in Kontakt treten kann?


Danke, Christof. Alles über meine Musik findet man auf der Trailhead-Seite, meine Reiseberichte auf dem Blog und alles weitere auf Facebook, Instagram, Spotify und YouTube. Aber am schönsten ist es immer, Leute auf meinen Konzerten kennenzulernen.





Das Interview inkl. Videos und Fotos kannst du auch hier auf Christofs Blog lesen.








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